Erfolgreich aus der Zeit gefallen
Es gibt eine bestimmte Sorte älterer Männer, die zwar auf beeindruckende Karrieren und beachtliche akademische Erfolge zurückblicken können, aber in ihrem innersten Wesen völlig stagniert sind. Sie haben es geschafft, sich in ihrem Beruf und ihrem Fachgebiet an die Spitze zu arbeiten – ob als Professoren, Unternehmer, Manager oder Politiker – und tragen ihre Erfolge wie einen Schutzschild vor sich her. Doch hinter dieser Fassade verbirgt sich eine unangenehme Wahrheit: Als Menschen haben sie aufgehört, sich weiterzuentwickeln. Während die Welt um sie herum an Geschwindigkeit zunimmt, bleiben sie auf der Stelle stehen, verhaftet in den Denkmustern und Ansichten ihrer eigenen Jugend.
Nehmen wir zum Beispiel den Professor, der immer noch aus den gleichen Notizen unterrichtet, die er vor 30 Jahren erstellt hat. Seine Vorlesungen mögen voller historischer Referenzen und beeindruckendem Fachwissen stecken, aber sie sind so lebendig wie ein Fossil im Museum. Er spricht von Theorien, die längst überholt sind, und ignoriert dabei die moderne Forschung oder, schlimmer noch, belächelt sie. In seiner Welt ist er der unangefochtene Meister seines Fachs, und die Vorstellung, dass sich die Wissenschaft weiterentwickelt hat, erscheint ihm geradezu lächerlich. Die Studierenden, die nach aktuellen Ansätzen fragen, ernteten bestenfalls ein herablassendes Lächeln. Schließlich war er es, der vor Jahrzehnten das Standardwerk geschrieben hat – was könnte sich seitdem schon geändert haben?
Oder der erfolgreiche Unternehmer, der es in den 1980er Jahren mit harter Arbeit, klugen Entscheidungen und einem festen Glauben an den Kapitalismus ganz nach oben geschafft hat. Heute sitzt er in Vorstandssitzungen, redet von "damals", als "Männer noch Männer waren" und belächelt jeden Versuch, neue Arbeitsmodelle oder moderne Führungskulturen zu etablieren. Homeoffice? Für ihn eine Ausrede, um zu faulenzen. Diversität? Eine Modeerscheinung, die der Produktivität nur im Wege steht. Er erinnert sich mit leuchtenden Augen an die Zeiten, in denen er „es geschafft hat“ und übergibt das Wort dann an die jüngere Generation – nur um anschließend jede neue Idee mit der Autorität eines Patriarchen in Grund und Boden zu reden.
Emotionale Reife? Fehlanzeige. Diese Männer haben in ihrem beruflichen Aufstieg nicht nur den Kontakt zur Realität, sondern auch zur eigenen Innenwelt verloren. Sie haben es nie für nötig gehalten, sich mit ihren Emotionen oder ihren zwischenmenschlichen Fähigkeiten auseinanderzusetzen. Warum auch? In den 1980er Jahren, als sie ihre Karrieren begannen, war es völlig akzeptabel, emotional distanziert und unnahbar zu sein. Chefs weinten nicht, sie forderten Leistung. Ein Ausdruck von Schwäche oder Selbstzweifel wäre undenkbar gewesen. Und so führen sie bis heute Beziehungen auf der Basis von Macht und Hierarchie, unfähig, sich in andere hineinzuversetzen oder ihre eigenen Schwächen zu erkennen. Stattdessen umgeben sie sich mit Menschen, die ihnen nach dem Mund reden, und wischen jede Kritik mit einem selbstgefälligen Kommentar beiseite.
Dabei merkt man ihnen an, dass sie in ihren Köpfen immer noch im Jahr 1985 leben. Ihre Ansichten über Frauen, über Technologie, über die Arbeitswelt oder soziale Veränderungen wirken wie Relikte einer längst vergangenen Ära. In ihrer Vorstellung ist die Welt seit ihrem beruflichen Höhepunkt nicht mehr weitergegangen. Feminismus? Das ist doch übertrieben. Warum sollten Frauen in Vorstände wollen? Die haben doch andere Aufgaben. Und Social Media? Eine Spielerei für die Jugend, völlig irrelevant für die "wirklich wichtigen Dinge".
Und dann gibt es noch das Thema der persönlichen Eitelkeit. Sie sind Meister darin, sich in der Öffentlichkeit als unfehlbar zu inszenieren, selbst wenn sie innerlich längst den Anschluss verloren haben. Ihr Erfolg und ihre Bildung haben sie immun gemacht gegenüber jeder Form von Selbstreflexion. Anstatt sich zu fragen, ob sie vielleicht etwas von den Jüngeren lernen könnten, verteidigen sie ihren Status mit verbissener Arroganz. Sie sitzen in Panels und Diskussionen, schütteln den Kopf über die „unwissende“ Jugend und ziehen sich dann zufrieden in ihre Elfenbeintürme zurück, überzeugt davon, dass sie die einzigen sind, die die Welt noch richtig verstehen.
In Wahrheit sind sie Gefangene ihrer eigenen Erfolge. Ihre berufliche Laufbahn hat ihnen so viel Bestätigung gegeben, dass sie nie das Bedürfnis verspürten, sich als Menschen weiterzuentwickeln. Sie haben die Anerkennung, die sie in ihren jungen Jahren gesucht haben, längst erhalten – und sind dadurch erstarrt. Statt sich den Herausforderungen der Gegenwart zu stellen, halten sie an den alten Regeln fest, die ihnen einst den Erfolg brachten. Sie haben nie gelernt, dass wahre Größe nicht darin besteht, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen, sondern darin, sich selbst immer wieder in Frage zu stellen.
Und so stehen sie da, in maßgeschneiderten Anzügen, umgeben von ihren Titeln und Erfolgen, und sind doch nichts weiter als Denkmäler einer vergangenen Zeit. Beeindruckend anzusehen, aber längst überholt. Sie könnten so viel sein – Mentoren, Wegbereiter, Brückenbauer zwischen den Generationen – doch stattdessen klammern sie sich an ihre alte Welt und machen sich damit letztlich selbst irrelevant. Ein trauriges Schicksal für diejenigen, die einmal die Zukunft gestalten wollten, aber am Ende nicht einmal in der Lage waren, sich selbst zu erneuern.